Bonn war 50 Jahre lang die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland. In Bonn wurde – unter welcher Regierung auch immer – insgesamt eine Politik gemacht, die aus dem in Trümmern liegenden (westlichen) Teil Deutschlands einen allseits geachteten, wirtschaftlich prosperierenden, sozial ausgerichteten, dem Frieden und der europäischen Integration verpflichteten Staat gemacht hat. Nicht nur die Bonner können mit Stolz auf diese Zeit der „Bonner Republik“ zurückblicken. Auch wenn früher so mancher sich über die „kleine Stadt am Rhein“ und das „Bundesdorf“ lustig gemacht hatte: Es war die Stadt ohne Triumphbögen und Aufmarschplätze, die mit dafür sorgte, dass Größenwahn erst gar nicht aufkommen konnte. Es war die Atmosphäre dieser „kleinen Stadt“, die dazu beitrug, dass selbst Massendemonstrationen ausgesprochen friedlich verliefen.

Am Deutschen Bundestag in Bonn
Ein Symbol der Bonner Republik: Skulptur "Large two forms" von Henry Moore. - Foto: Hans-Dieter Weber.

Die Stadt und ihre Bürger hatten sich schon so sehr an den Hauptstadtstatus gewöhnt, dass sie die Entscheidung einer knappen Mehrheit des deutschen Bundestages (1991), diese Funktion nach Berlin zurück zu verlegen, erst einmal in einen Schockzustand versetzte. Doch bald schon zeigte auch hier die rheinische Lebensphilosophie („Et is wie et is, et kütt wie et kütt, wat fott is, is fott und: et is noch immer jood jejange“ – Es ist wie es ist, es kommt wie es kommt, was weg ist, ist weg und: es ist noch immer gut gegangen) Wirkung. Man fand sich mit dem Unvermeidlichen ab und wandte sich der Zukunft zu. Und die sieht alles andere als düster aus. Heute gibt es – natürlich auch Dank der Unternehmens-Riesen Post und Telekom – mehr Arbeitsplätze in Bonn als je zuvor. Und die Arbeitslosenquote gehört immer noch zu den niedrigsten im Bundesland Nordrhein-Westfalen.

Bundestag

 
Eingang zum ehemaligen Plenarsaal des Deutschen Bundestags in Bonn. - Foto: Hans-Dieter Weber.

Am 7. September 1949 trat der Deutsche Bundestag zu seiner ersten konstituierenden Sitzung in Bonn zusammen. Zusammen mit der Konstituierung des Bundesrats am gleichen Tag war damit vier Jahre nach Ende des Krieges und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft der staatliche Neuanfang im Westen des geteilten Landes gemacht. Zuvor hatte Bonn das Rennen um die provisorische Hauptstadt (gegen Frankfurt) knapp für sich entschieden. In aller Eile wurde damals die ehemalige Pädagogische Hochschule in der Gronau, die den Krieg einigermaßen unbeschädigt überstanden hatte, zum Bundestagsgebäude aus- und umgebaut. Das bauliche Provisorium sollte lange halten – schließlich war es ja auch als Provisorium gedacht. Erst als eine Wiedervereinigung der beiden Teile Deutschlands immer unwahrscheinlicher zu werden schien, wagte sich die Politik gedanklich an Neubauten heran. Erst entstanden neue Ministeriums-Bauten (z.B. die Kreuzbauten), dann wurde auch ein Neubau des Deutschen Bundestages beschlossen, der schließlich vom Stuttgarter Architekten Günter Behnisch in einer wunderbar offenen, transparenten Form umgesetzt wurde – noch heute als wesentlicher Bestandteil des neuen und künftig erweiterten Internationalen Kongresszentrums Bonn zu bewundern. Doch da hatte die Geschichte die Pläne längst eingeholt: Als die Parlamentarier den Neubau bezogen, war die Wiedervereinigung längst Wirklichkeit geworden, Berlin zur Hauptstadt erkoren. Während der Um- und Neubau-Phase hatte der Deutsche Bundestag sein Provisorium im Provisorium gefunden – im Alten Wasserwerk. Immerhin hatte der Deutsche Bundestag bis 1999 seinen Sitz in Bonn – 50 Jahre lang, 50 Jahre, die aus der Historie der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr wegzudenken sind und die als „Bonner Republik“ in ausgesprochen guter Erinnerung bleiben werden.

Bundeskanzler während der Bonner Republik

 
Stele am Weg der Demokratie. - Foto: Hans-Dieter Weber.

Bundeskanzler während der Zeit der „Bonner Republik“ in den Jahren 1949 bis 1999 waren:

Bonner Amtssitze

Die Kanzler Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Kurt-Georg Kiesinger und Willy Brandt führten ihre Amtsgeschäfte noch vom Palais Schaumburg aus; erst unter Bundeskanzler Helmut Schmidt wurde der Auftrag für den Bau des neuen Kanzleramts vergeben. Der von der Architektengruppe Stieldorf entworfene Flachbau wurde 1976 fertiggestellt und prompt von Spöttern mit einer Sparkassen-Zentrale verglichen. Dennoch haben von hier aus mehr als 20 Jahre lang die Kanzler Helmut Schmidt und Helmut Kohl regiert. Gerhard Schröder war Bundeskanzler von Oktober 1998 bis November 2005. In diese Zeit fiel schon bald der Regierungsumzug nach Berlin im Jahr 1999.

Kanzler-Bungalow

Im Jahr 1964, in der Regierungszeit von Kanzler Ludwig Erhard entstand der Kanzler-Bungalow als Wohn- und Empfangsgebäude (Architekt: Sepp Ruf) inmitten des Parks des (ehemaligen) Bundeskanzleramts. Gedacht war der Bau als „Wohn-Villa“ des jeweiligen Regierungschefs.

Die ersten Hausherren waren Ludwig und Luise Erhard. Helmut und Loki Schmidt blieben später immerhin acht Jahre im Kanzlerbungalow wohnen, während andere Amtsinhaber den Bau weniger schätzten. Willy und Rut Brandt nutzen ihn nur für Veranstaltungen und blieben bis 1974 in der Außenministervilla auf dem Venusberg wohnen.

Helmut Kohl blieb über seine Amtszeit hinaus bis 1999 im Kanzlerbungalow. Bundeskanzler Gerhard Schröder, gewählt am 27. Oktober 1998, zog in den wenigen Monaten bis zum Berlin-Umzug nicht mehr ein und nutzte das Palais Schaumburg.

Kanzlerbäume

 
Palais Schaumburg. - Foto: Hans-Dieter Weber

Gerhard Schröder hat sich für eine Eiche entschieden. Der frühere Bundeskanzler pflanzte den Baum erst im Dezember 2006 im Park des Palais Schaumburg und folgte damit einer Tradition seiner Vorgänger. Alle Bundeskanzler haben sich mit einem Baum im Garten des Palais, das in den ersten Jahrzehnten nach der Gründung der Bundesrepublik Sitz des Bundeskanzleramts war, verewigt. Konrad Adenauer pflanzte einen Blauglockenbaum (der 1992 nach einem Sturm ersetzt werden musste), an Ludwig Erhard erinnert seit 1966 ein Mammutbaum. Kurt Georg Kiesinger steuerte 1978 einen Spitz-Ahorn bei, Willy Brandt im Jahr darauf einen Ginkgo. Ebenfalls 1979 pflanzte Helmut Schmidt eine Trauerweide, und Helmut Kohl hinterließ eine Blutbuche (gepflanzt 1987).

Bundespräsidenten zur Zeit der Bonner Republik

 
Villa Hammerschmidt.
Foto: Hans-Dieter Weber

Am 12. September 1949 trat im Deutschen Bundestag in Bonn die Bundesversammlung zusammen und wählte Theodor Heuss zum ersten Bundespräsident der noch jungen Bundesrepublik. Um das Amt hatten sich der damalige FDP-Vorsitzende Heuss und der damalige SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher beworben.

Im Jahr 1950 kaufte die Bundesrepublik Deutschland die Villa Hammerschmidt. Sie war von da an in der Bonner Republik erster Dienstsitz des Bundespräsidenten und wurde so in aller Welt bekannt. Die Villa Hammerschmidt dient heute nach Schloss Bellevue in Berlin als zweiter Dienstsitz des deutschen Staatsoberhauptes, auch des amtierenden Amtsinhabers Frank-Walter Steinmeier.

Demonstrationen

Politische (Protest-)Kundgebungen in Form von Demonstrationen gibt es zwar auch heute noch vereinzelt in Bonn, aber längst nicht in der Vielzahl und Größenordnung wie zu Hauptstadtzeiten. Einen Anlass, gegen dieses oder jenes mit einem öffentlichen Aufmarsch Stellung zu beziehen, gab es statistisch gesehen vermutlich einmal pro Woche in der provisorischen Bundeshauptstadt.

 
Hofgarten in Bonn. - Foto: Hans-Dieter Weber.

Älteren Bonnern sind die größeren Kundgebungen noch in Erinnerung, wie jene gegen die Notstandsgesetze (1968), gegen den Vietnamkrieg (mehrmals in den 70er Jahren), vor allem aber jene, die sich im Oktober 1981 gegen den sogenannten Nato-Doppelbeschluss (unter SPD-Kanzler Helmut Schmidt) richtete: 300 000 Demonstranten hatten sich in Bonn eingefunden – rein rechnerisch ein Demonstrant pro Einwohner. Nur ein Bruchteil der Protestler konnte damals naturgemäß die zentrale Veranstaltung im Hofgarten live erleben. Das Erstaunliche: Wie diese Großdemo verliefen auch alle anderen, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, absolut friedlich; die Polizei hielt sich meist demonstrativ im Hintergrund, während die Bonner gelassen am Straßenrand standen und sich das Fahnen-Transparente-Sprechchöre-Spektakel betrachteten, immer nach dem Motto: „Lurens, de Zoch kütt“ – schau mal, der (eigentlich: Rosenmontags-)Zug kommt. Irgendwie muss die Friedfertigkeit der Einheimischen auf die Demonstranten übergesprungen sein.

In den 1980-er Jahre war der Bonner Hofgarten der zentrale Ort in der damaligen Bundeshauptstadt, wo die großen Friedensdemonstrationen stattfanden.

Die Friedensdemonstration am 10. Oktober 1981 stand unter dem Motto Gegen die atomare Bedrohung gemeinsam vorgehen. Etwa 300.000 Menschen nahmen an der zentralen Abschlusskundgebung im Hofgarten teil, um gegen den NATO-Doppelbeschluss zu protestieren. Zu den Rednern zählten Heinrich Albertz, Heinrich Böll, Erhard Eppler, Petra Kelly und Coretta Scott King.

Im darauf folgenden Jahr fanden Demonstrationen mit mehr als 500.000 Teilnehmer/innen aus Anlass der NATO-Gipfelkonferenz auf der Beueler Rheinseite statt, bevor im Jahr 1983 wieder eine Großdemonstration im Hofgarten mit rund einer halben Million Menschen stattfand. Bei der Friedensdemonstration am 22. Oktober 1983 sprach unter anderem Willy Brandt und bezog eindeutig Stellung gegen Massenvernichtungsmittel. Etwa 150.000 Demonstranten bildeten zudem eine Menschenkette um das damalige Regierungsviertel.

Die "Bonner" Jahre 1949 bis 1999

Von der Gründung der Bundesrepublik bis zum Regierungsumzug nach Berlin:

siehe auch

 
An den Kreuzbauten im Stadtteil Hochkreuz

Weblinks und Quellen