Bonner Republik

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Ehemaliges Bundeshaus in Bonn

Bonn war 50 Jahre lang die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland. In Bonn wurde – unter welcher Regierung auch immer – insgesamt eine Politik gemacht, die aus dem in Trümmern liegenden (westlichen) Teil Deutschlands einen allseits geachteten, wirtschaftlich prosperierenden, sozial ausgerichteten, dem Frieden und der europäischen Integration verpflichteten Staat gemacht hat. Nicht nur die Bonner können mit Stolz auf diese Zeit der „Bonner Republik“ zurückblicken. Auch wenn früher so mancher sich über die „kleine Stadt am Rhein“ und das „Bundesdorf“ lustig gemacht hatte: Es war die Stadt ohne Triumphbögen und Aufmarschplätze, die mit dafür sorgte, dass Größenwahn erst gar nicht aufkommen konnte. Es war die Atmosphäre dieser „kleinen Stadt“, die dazu beitrug, dass selbst Massendemonstrationen ausgesprochen friedlich verliefen.

Die Stadt und ihre Bürger hatten sich schon so sehr an den Hauptstadtstatus gewöhnt, dass sie die Entscheidung einer knappen Mehrheit des deutschen Bundestages (1991), diese Funktion nach Berlin zurück zu verlegen, erst einmal in einen Schockzustand versetzte. Doch bald schon zeigte auch hier die rheinische Lebensphilosophie („Et is wie et is, et kütt wie et kütt, wat fott is, is fott und: et is noch immer jood jejange“ – Es ist wie es ist, es kommt wie es kommt, was weg ist, ist weg und: es ist noch immer gut gegangen) Wirkung. Man fand sich mit dem Unvermeidlichen ab und wandte sich der Zukunft zu. Und die sieht alles andere als düster aus. Heute gibt es – natürlich auch Dank der Unternehmens-Riesen Post und Telekom – mehr Arbeitsplätze in Bonn als je zuvor. Und die Arbeitslosenquote gehört immer noch zu den niedrigsten im Bundesland Nordrhein-Westfalen.

Bundestag

Eingang zum ehemaligen Bundestag in Bonn. - Foto: Hans-Dieter Weber.

Am 7. September 1949 trat der Deutsche Bundestag zu seiner ersten konstituierenden Sitzung in Bonn zusammen. Zusammen mit der Konstituierung des Bundesrats am gleichen Tag war damit vier Jahre nach Ende des Krieges und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft der staatliche Neuanfang im Westen des geteilten Landes gemacht. Zuvor hatte Bonn das Rennen um die provisorische Hauptstadt (gegen Frankfurt) knapp für sich entschieden. In aller Eile wurde damals die ehemalige Pädagogische Hochschule in der Gronau, die den Krieg einigermaßen unbeschädigt überstanden hatte, zum Bundestagsgebäude aus- und umgebaut. Das bauliche Provisorium sollte lange halten – schließlich war es ja auch als Provisorium gedacht. Erst als eine Wiedervereinigung der beiden Teile Deutschlands immer unwahrscheinlicher zu werden schien, wagte sich die Politik gedanklich an Neubauten heran. Erst entstanden neue Ministeriums-Bauten (z.B. die Kreuzbauten), dann wurde auch ein Neubau des Deutschen Bundestages beschlossen, der schließlich vom Stuttgarter Architekten Günter Behnisch in einer wunderbar offenen, transparenten Form umgesetzt wurde – noch heute als wesentlicher Bestandteil des neuen und künftig erweiterten Internationalen Kongresszentrums Bonn zu bewundern. Doch da hatte die Geschichte die Pläne längst eingeholt: Als die Parlamentarier den Neubau bezogen, war die Wiedervereinigung längst Wirklichkeit geworden, Berlin zur Hauptstadt erkoren. Während der Um- und Neubau-Phase hatte der Deutsche Bundestag sein Provisorium im Provisorium gefunden – im Alten Wasserwerk. Immerhin hatte der Deutsche Bundestag bis 1999 seinen Sitz in Bonn – 50 Jahre lang, 50 Jahre, die aus der Historie der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr wegzudenken sind und die als „Bonner Republik“ in ausgesprochen guter Erinnerung bleiben werden.

Demonstrationen

Hofgarten in Bonn. - Foto: Hans-Dieter Weber.

Politische (Protest-)Kundgebungen in Form von Demonstrationen gibt es zwar auch heute noch vereinzelt in Bonn, aber längst nicht in der Vielzahl und Größenordnung wie zu Hauptstadtzeiten. Einen Anlass, gegen dieses oder jenes mit einem öffentlichen Aufmarsch Stellung zu beziehen, gab es statistisch gesehen vermutlich einmal pro Woche in der provisorischen Bundeshauptstadt. Älteren Bonnern sind die größeren Kundgebungen noch in Erinnerung, wie jene gegen die Notstandsgesetze (1968), gegen den Vietnamkrieg (mehrmals in den 70er Jahren), vor allem aber jene, die sich im Oktober 1981 gegen den sogenannten Nato-Doppelbeschluss (unter SPD-Kanzler Helmut Schmidt) richtete: 300 000 Demonstranten hatten sich in Bonn eingefunden – rein rechnerisch ein Demonstrant pro Einwohner. Nur ein Bruchteil der Protestler konnte damals naturgemäß die zentrale Veranstaltung im Hofgarten live erleben. Das Erstaunliche: Wie diese Großdemo verliefen auch alle anderen, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, absolut friedlich; die Polizei hielt sich meist demonstrativ im Hintergrund, während die Bonner gelassen am Straßenrand standen und sich das Fahnen-Transparente-Sprechchöre-Spektakel betrachteten, immer nach dem Motto: „Lurens, de Zoch kütt“ – schau mal, der (eigentlich: Rosenmontags-)Zug kommt. Irgendwie muss die Friedfertigkeit der Einheimischen auf die Demonstranten übergesprungen sein.

In den 1980-er Jahre war der Bonner Hofgarten der zentrale Ort in der damaligen Bundeshauptstadt, wo die großen Friedensdemonstrationen stattfanden.

Die Friedensdemonstration am 10. Oktober 1981 stand unter dem Motto Gegen die atomare Bedrohung gemeinsam vorgehen. Etwa 300.000 Menschen nahmen an der zentralen Abschlusskundgebung im Hofgarten teil, um gegen den NATO-Doppelbeschluss zu protestieren. Zu den Rednern zählten Heinrich Albertz, Heinrich Böll, Erhard Eppler, Petra Kelly und Coretta Scott King.

Im darauf folgenden Jahr fanden Demonstrationen mit mehr als 500.000 Teilnehmer/innen aus Anlass der NATO-Gipfelkonferenz auf der Beueler Rheinseite statt, bevor im Jahr 1983 wieder eine Großdemonstration im Hodfgarten mit rund einer halben Million Menschen stattfand. Bei der Friedensdemonstration am 22. Oktober 1983 sprach unter anderem Willy Brandt und bezog eindeutig Stellung gegen Massenvernichtungsmittel. Etwa 150.000 Demonstranten bildeten zudem eine Menschenkette um das damalige Regierungsviertel.

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