In dem Heft ZUR GESCHICHTE DER JÜDISCHEN GEMEINDE IN BEUEL haben Bürgermeister Hans Steger und Stadtdirektor Brock das Vorwort geschrieben:[1]

Ein gewisser zeitlicher Abstand ist wohl notwendig, um geschichtliche Ereignisse der jüngsten Vergangenheit aufzuzeichnen; zumal dann, wenn es sich um Ereignisse handelt, durch die schließlich Grundbegriffe der modernen Gesellschaft ignoriert, Rechte verleugnet, humane Verpflichtungen mißachtet, völkerrechtlich anerkannte Regeln in ihr Gegenteil verkehrt wurden. Aus den verschiedensten historischen Quellen gespeist, hat das Geschick der jüdischen Bevölkerung in Deutschland unter einem Unrechtsregime in seinem schrecklichen und makaberen Ablauf eine weltweite Reaktion ausgelöst, unter der nicht nur unsere heutige Generation zu leiden hat, sondern die auch künftig fortwirken wird.

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Die jüdischen Bürger sind nur ein Teil der Gruppen, die unter einem Unrechtsregime gelitten haben. Aber sie sind der am härtesten betroffene Teil. Die vorliegende Studie versucht, den Weg aufzuzeigen, den die Historie ging: für die Betroffenen der Versuch einer nüchternen Bestandsaufnahme von Fakten, die Grundlage ist für die Beurteilung dessen, was geschah; für die Lebenden eine stets brennende Mahnung.

          Am 20. Jahrestag der Beendigung des Krieges und des
          NS-Regimes in Deutschland, unter dem am 9. Novem-
          ber 1938 die Beueler Synagoge in Flammen aufging:
                     Beuel, am 8. Mai 1965
             Steger                             Brock
          Bürgermeister                      Stadtdirektor

Der Inhalt des, von Johannes Bücher verfassten Heftes "Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde in Beuel" erschien anlässlich der Anbringung einer Gedenktafel, die an die früheren jüdischen Mitbürger und deren Synagoge erinnern. Diese Tafel ist an einem Neubau angebracht, der in unmittelbarer Nähe des Grundstückes liegt, auf dem sich die Synagoge befunden hat.

Zur Einleitung

Der Verfasser schreibt in seiner Einleitung u. a.:[1]

Die geschichtlichen Ausführungen beginnen mit der Errichtung der Municipalität (Mairie) Vilich im Jahre 1810, weil sich erst von diesem Zeitpunkt an anhand der Akten des Stadtarchivs in Beuel ein etwa abgerundetes Bild gewinnen läßt. Ohne Zweifel sind schon vor dem Jahre 1810 in unserem Stadtgebiet Juden ansässig gewesen. Das läßt sich urkundlich auch belegen, jedoch ist es nicht möglich, über Einzelheiten hinaus etwas festzustellen.

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Jedenfalls möchte das Heft denen ein bescheidenes Denkmal setzen, die Opfer eines scheußlichen Rassenhasses geworden sind und eine heranwachsende Generation vor den Folgen unmenschlicher Intoleranz nachdrücklich warnen.

Johannes Bücher hat in dem Heft viele, vermutlich auch aus dem französischen übersetzte, Dokumente und Unmengen statischer Daten aus dem Stadtarchiv und weiteren Veröffentlichungen von Statistiken[2] verarbeitet. Leider ist das Heft im Stadtarchiv und auch wohl im Heimatmuseum Beuel nicht mehr erhältlich.

Es wäre vermessen diese ganzen Informationen und statistischen Tabellen aus dem Heft in diesen Wiki-Artikel zu übernehmen. Mit einzelne Informationen aus den Kapiteln soll aber zumindest ein Überblick über die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Beuel, zumindest erstmal bis zum Jahre 1965, geschaffen werden.

Geschichte

Aus Gebieten, die vorher zu Kur-Köln bzw. zum Herzogtum Jülich und Berg geörten, wurde durch eine Dekret Napoleons I. vom 14.11.1808 die Mairie (Bürgermeisterei) Vilich im Großherzogtum Berg geschaffen. Die Grenze zwischen Kur-Köln und Jülich und Berg verlief vom Rhein aus und folgte der Wilhelmstraße (heute Obere Wilhelmstraße) im Stadtteil Beuel weiter in östliche Richtung. Die Wilhemstraße teilte am Rhein (Am Schanzenkopf) den kurkölnischen (nördlich gelegenen) Ort Combahn, von dem jülich-bergischen (südlich gelegenen) Ort Beuel. Im Ort Combahn befand sich auch die Anlegestelle der Rheinfähre. Er wurde erst 1892 Teil der damaligen Ortschaft Beuel.Das heutige Stadtgebiet von Beuel deckt sich, abgesehen von unwesentlichen Bereinigungen der Gemeindegrenzen, mit dem Gebiet der damaligen Mairie (Bürgermeisterei) Vilich.

Jüdische Bevölkerungszahlen der Gemeinde Beuel

Bei der Gründung hatte die Bürgermeisterei Vilich etwa 3600 Einwohner. Die Anzahl jüdischer Gemeindemitglieder konnte aber nicht ermittelt werden. Die Zahlen für die Jahre 1827 bis 1869 sind aber lückenlos aus den Akten des Stadtarchivs zu entnehmen. Es ist durchaus anzunehmen, dass 1810[3] die Zahl der Juden in etwa der Zahl aus dem Jahre 1824 entsprach. Der Bürgermeister von Vilich hatte mindestens seit 1822 über die Entwicklung der jüdischen Bevölkerung Bericht zu erstatten. Außerdem hatte er jedes Jahr eine tabellarische "Übersicht der persönlichen und gewerblichen Verhältnisse der Juden" der Aufsichtsbehörde vorzulegen. Das die preußischen Behörden die Zahlen dieser Tabellen genauestens beobachteten, zeigt ein in den Akten vorhandener Schriftwechsel.

Im Heft kann Johannes Bücher es sich nicht versagen, auf die in verschiedener Hinsicht aufschlussreichen Titel der unter [2] angegebenen statistischen Sammelwerke besonders hinzuweisen.

Die Berufszugehörigkeit der hiesigen Juden

Im fraglichen Zeitraum (1843 - 1861) machen die Statistiken deutlich das keine reichen Juden in Beuel gelebt haben, die Zahl der Handwerker bleibt fast konstant. Bestimmte Verlagerungen zeigen sich bei Handelsgeschäften. Dass heranwachsende Kinder z. T. außerhalb des elterlichen Hauses einem Erwerb nachgehen müssen, zeigt die steigende Zahl der im Gesindedienst Tätigen.

Der nachfolgenden Block ist wörtlich zitiert.[1]

Die Beurkundung des Zivilstandes der Juden (1808)
die Annahme fester (vererblicher) Familiennamen (1846)
die zusätzliche Annahme jüdischer Vornamen (1938)

Das älteste Schriftstück im Beueler Stadtmuseum, das sich mit den hiesigen Juden befaßt, ist eine Bekanntmachung, die folgenden Wortlaut hat:

"Publicandum

Alle jüdischen Familien und Einsaßen werden hiermit in Folge höherer Verordnung bey Strafe des Ungehorsams aufgefordert, die sich bey ihnen ereignende Geburts-, Trauungs- und Sterbefälle ohne Unterschied jederzeit binnen 3 Tagen dem Gerichtsschreiber des Amtsbezirkes, wo ihre Synagoge liegt, anzuzeigen

Den Rabbinern und Schulmeistern oder sonstigen vorgesetzten Personen wird jede religiöse Handlung bey den Geburts-, Beschneidungs-, Trauungs- und Sterbefällen auf das ernstlichste verbothen, wenn nicht vorher die Bescheinigung des Gerichtsschreibers über die vorschriftsmäßige Eintragung ihnen vorgelegt wird. Zugleich sollen diese ebenfalls ein Verzeichniß über jede solche Fälle in der Landessprache führen und dabey zur Controlle die Bescheinigung des Gerichtsschreibers aufbewahren und das Datum derselben beysetzen.

Ober-kassel, den 1. Feb. 1808

Dewies Amtsv.


Diese Verfügung tritt schon vom 1. Jan. d. J. an in Rückwirkung.

Grdr.D'hum soll diese der Judengemeinde von Vilich und Beul in der Synagoge verkünden und mit dem Exekut rückstellen. Daß ich nebenstehende gnädigste Verordnung, den hiesigen Versammelten Juden in ihrer Synagoge zu Beuel gehörig verkündet habe wie den(n) durch Bescheinigung so geschehen den 6ten Februar 1808

C.D'hum"

Dem Schriftstück lässt sich einwandfrei entnehmen, dass schon damals Juden im heutigen Stadtgebiet von Beuel ansässig waren und eine Synagoge bestand. Da ab dem 1. Januar 1810 die Geburts-, Heirats- und Todesfälle aller Einwohner in die Zivilstandsregister der zuständigen Bürgermeistereien einzutragen waren, verlor die Anordnung, dass Zivilstandfälle vom Gerichtsschreiber beurkunden zu lassen, ihre Bedeutung. Die Zivilstandsregister sind, nach der Übernahme des Großherzogtums Berg durch Preußen, hier auch fortgeführt worden.

Die erste Beueler Synagoge

Aus dem obigen zitierten Publicandum geht hervor, dass es in Beuel bereits 1808 ein jüdisches Bethaus/Gotteshaus bestand. Es handelt sich wohl um das Gebäude, welches sich nach Eintragungen auf der Urkarte des Katasteramtes Bonn von 1824, auf der Parzelle 633 der Wilhelmstraße befand und eine Größe von 6,0 x 5,7 m hatte.[4]

Die Synagogengemeinde Beuel stellte 1813 den Antrag zur Errichtung einer neuen Synagoge.

Bürgermeister Stroof schrieb am 22. Juli 1813 an seinen Unterpräfekten:

Die hiesige Judenschaft hat mir den hier angebogenen Antrag übergeben, welchen ich der höheren Behörde zur Genehmigung gehorsamst einreiche und es meinerseits unangemessen finde, diesen Plan zu erlaufen oder zu versagen; es ist zwar von dem, was dieselbe vorstellt und in dieser Vorstellung nichts unwahres eingeführt, ich überlaße jedoch dem höheren Ermeßen, ob dem Gesuch willfahren werden wolle und beharre ...

Die zweite Beueler Synagoge

Die neue Synagoge muss nach 1824 aber noch vor 1847 errichtet worden sein. Bürgermeister Pfingsten bezifferte am 27. September 1847 den Wert der Beueler Synagoge mit 500 Thalern. Das erste als Bet-/Gotteshaus verwendete Gebäude wird kaum einen solchen Wert gehabt haben.

Simons sagt in seiner "Geschichte der Juden im Bonner Raum" (S.35), daß der aufgrund des Antrages von Juli 1813 errichtete Bau einen rechteckigen Grundriss aufgewiesen habe, die Synagoge ein  Fachwerkbau war und eine Galerie für die Frauen besaß. Das bestätigt auch §4 des Entwurfs zu einer Synagogenordnung von 1859, der bestimmte, daß Kinder unter 4 Jahren weder in die Synagoge der Männer noch in die der Frauen mitgebracht werden durften. Die 2. Synagoge hatte eine Größe von 6, x 12,08 m.[1]

Die dritte Beueler Synagoge

Die Grundstücksverhältnisse sind 1882 geordnet worden, wobei das jetzt größere Synagogengrundstück die Parzellen-Nr. 1051/633 erhielt. Zugang zur Wilhelmstraße hatte das Grundstück nur über die Parzelle 1051/634, welche der Familie Hirschhorn gehörte. Die Synagogengemeinde erwarb um 1886 das Grundstück 1051/635. Dies war wohl ein vorbereitender Schritt für den Bau einer größeren Synagoge. Ein weiterer Schritt war 1895 der Erwerb des Grundstücks in einer Größe von 109 m² der Familie Hirschhorn zu einem Preis von 2250 Mark.

Am 23. Juli 1899 wurde von der Synagogengemeinde der Antrag gestellt, das geplante Gotteshaus errichten zu können. Der Plan wurde von dem Baumeister I. A. Rüppel aus Bonn verfasst. Damit die Baugenehmigung erteilt werden konnte, mussten die Pläne den verschiedensten Stellen zur Stellungnahme eingereicht werden. Probleme ergaben sich aus der geringen Größe des Grundstücks, Bedenken wurden wegen der Statik geltend gemacht und die Baukosten erschienen für die kleine Gemeinde als untragbar, usw. Den Akten war nicht zu entnehmen, wann denn die Baugenehmigung erteilt wurde. Der tatsächlich ausgeführte Bau war im Äußeren einfacher und grundrissmässig kleiner gehalten. Über die Grundsteinlegung der neuen, der dritten, Synagoge berichtete der Bonner Generalanzeiger vom 11. März 1903 (Nr. 4684, S. 6).

Auch damals gab es schon Verzögerungen bei den Bauten. So konnte die Einweihung erst im August statt im Juli stattfinden. Am 13. August findet sich in der gleichen Zeitung der Hinweis auf die feierliche Einweihung der Synagoge, die am 28. und 29. August begangen werden soll. Der Bericht über die Feierlichkeiten erschien in der Ausgabe des Generalanzeigers am 29. August 1903 (Nr. 4849, S. 11).

Gut 10 Jahre später brach der 1. Weltkrieg aus. 1918 endete der Krieg mit der Revolution. Die Inflation begleitete die bitteren Nachkriegsjahre. Der "braune Sumpf" begann sich mehr und mehr in Deutschland auszubreiten, da wurde am 8. September 1928 das 25jährige Wiegenfest ihrer Synagoge von der Synagogengemeinde gefeiert. Der Bonner Generalanzeiger brachte darüber einen Bericht in seiner Ausgabe vom 10. September 1928 (Nr. 13129, S. 7).

Das Ende der Beueler Synagoge

Es waren der Synagoge nur noch weitere 10 Jahre des Bestehens beschieden. Am 9. November 1938 wurde das Gotteshaus von nationalsozialistischen Brandstiftern in Schutt und Asche gelegt, wie es an vielen Stellen im damaligen Deutschland geschah. Den jüdischen Bürgern war der Ort der Gemeinsamkeit genommen worden. Viele kamen in den Konzentrations- und Vernichtungslagern zu Tode, wenn sie es nicht vorgezogen hatten, die Heimat zu verlassen und eine Zufluchtsstätte im Ausland zu finden.

"Heute befindet sich am ehemaligen Standort der Synagoge eine Gedenkstätte mit Ziegelsteinen des Gebäudes. Außerdem wurden seit 2002 in Beuel sogenannte Stolpersteine mit den Namen der Juden verlegt, die in Beuel gelebt haben und durch die Nationalsozialisten ermordet wurden. Die Aktion wurde mittlerweile auf ganz Bonn ausgeweitet.“ (leben-in-beuel.de) [5][6]

Literatur

Studien zur Heimatgeschichte der Stadt Beuel am Rhein - Heft 7 - Zur Geschichte der jüdischen Gemeinschaft in Beuel - von Johannes Bücher, 1. Beigeordneter der Stadt Beuel - 1965 - Herausgegeben von der Stadtverwaltung Beuel - ohne ISBN / vergriffen

Susanne Rohde - Sie waren in Beuel zu Hause – Lesebuch zur dunklen Geschichte - Bonn - 2020 - ISBN=978-3-947759-57-6


Weblinks und Quellen

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Studien zur Heimatgeschichte der Stadt Beuel am Rhein - Heft 7 - Zur Geschichte der jüdischen Gemeinschaft in Beuel - von Johannes Bücher, 1. Beigeordneter der Stadt Beuel - 1965 - Herausgegeben von der Stadtverwaltung Beuel - ohne ISBN / vergriffen
  2. 2,0 2,1 Die Gemeinden und Gutsbezirke des Preußischen Staates, Band XI Rheinprovinz, Herausgeber: Königliches Statistisches Bureau, Berlin 1874; Gemeindelexikon für das Königreich Preußen, Heft XII Provinz Rheinland, Herausgeber: Königliches Statistisches Bureau, Berlin 1888; Gemeindelexikon für das Königreich Preußen, Heft XII Provinz Rheinland, Herausgeber: Königliches Statistisches Landesamt, Berlin 1909; Gemeindelexikon für den Freistaat Preußen, Heft XIII Rheinprovinz, Herausgeber: Preußisches Statistisches Landesamt, Berlin 1930; Statistik des Deutschen Reiches, Band 451, Herausgeber: Statistisches Reichsamt, Berlin 1936; Statistik des Deutschen Reiches, Band 552, 4 Heft 4: Die Juden und jüdischen Mischlinge im Deutschen Reich, Herausgeber: Staistisches Reichsamt, Berlin 1944
  3. Nach Simons "Geschichte der Juden im Bonner Raum" S. 27 zählte die Bonner Synagogengemeinde 309 Köpfe im Jahre 1809, nachdem das Bonner Ghetto im Jahre 1798 bereits aufgelöst war.
  4. Bis zur Errichtung der Rheinbrücke im Jahre 1898 war die Wilhelmstraße die Hauptstraße von Beuel. Zu dem genauen Verlauf der Wilhelmstraße finde ich bisher widersprüchliche Angaben: a) die heutige Friedrich-Breuer-Straße; b) die heutige Siegfried-Leopold-Straße.
  5. „Synagoge Beuel”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-276815 (Abgerufen: 1. Mai 2023)
  6. https://www.leben-in-beuel.de/?s=Synagoge

Weblinks