Beueler Industriegeschichte: Unterschied zwischen den Versionen

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März 1945: Von Oberkassel vorstoßend, erreichen die Truppen der 78. amerikanischen Infanteriedivision das Zentrum von Beuel. An diesem Tag ging in hier der grauenhafte Krieg zu Ende. Gegen vier Uhr am Nachmittag erreichten die Amerikaner die Einfahrt der Germania-Brotfabrik in der Kreuzstraße. Mit der MP im Anschlag durchsuchten sie die Gebäude nach Waffen und deutschen Soldaten. Was sie fanden, waren einige Männer, Deutsche und Fremdarbeiter, die der Kriegseinsatz hierher verschlagen hatte.Unter den großen Backöfen brannte noch das Feuer. Eine Rauchfahne, die einzige und letzte weit und breit, stieg aus dem Schornstein hervor. Die hohen Schlote schauten, drüben hinter der Eisenbahn, stumm und reglos auf die zerstörten Häuser und Hallen herab. Der Krieg hatte von den einstigen Stätten der Arbeit fensterlose Ruinen und Berge von Trümmern zurückgelassen. Selbst die Straßen in der schwer zerstörten  Stadt waren von Bomben zerfetzt und mit Geröll übersät. Um den amerikanischen Jeeps den Weg zu bahnen, wurden schwere Räumbagger eingesetzt. Ein einziges deutsches Fahrzeug rollte noch durch die Stadt. Es war ein Pferdewagen, der mit Kannen beladen war. Mit den Kannen wurde das Wasser aus Brunnen heran geschafft und  versorgte so die in Bunkern, Kellern und Erdlöchern hausenden Menschen. Da gab es aber auch noch einen Handwagen. Mit ihm beförderte ein Franzose das Brot aus der Brotfabrik ins Krankenhaus.  
März 1945: Von Oberkassel vorstoßend, erreichen die Truppen der 78. amerikanischen Infanteriedivision das Zentrum von Beuel. An diesem Tag ging in hier der grauenhafte Krieg zu Ende. Gegen vier Uhr am Nachmittag erreichten die Amerikaner die Einfahrt der Germania-Brotfabrik in der Kreuzstraße. Mit der MP im Anschlag durchsuchten sie die Gebäude nach Waffen und deutschen Soldaten. Was sie fanden, waren einige Männer, Deutsche und Fremdarbeiter, die der Kriegseinsatz hierher verschlagen hatte.Unter den großen Backöfen brannte noch das Feuer. Eine Rauchfahne, die einzige und letzte weit und breit, stieg aus dem Schornstein hervor. Die hohen Schlote schauten, drüben hinter der Eisenbahn, stumm und reglos auf die zerstörten Häuser und Hallen herab. Der Krieg hatte von den einstigen Stätten der Arbeit fensterlose Ruinen und Berge von Trümmern zurückgelassen. Selbst die Straßen in der schwer zerstörten  Stadt waren von Bomben zerfetzt und mit Geröll übersät. Um den amerikanischen Jeeps den Weg zu bahnen, wurden schwere Räumbagger eingesetzt. Ein einziges deutsches Fahrzeug rollte noch durch die Stadt. Es war ein Pferdewagen, der mit Kannen beladen war. Mit den Kannen wurde das Wasser aus Brunnen heran geschafft und  versorgte so die in Bunkern, Kellern und Erdlöchern hausenden Menschen. Da gab es aber auch noch einen Handwagen. Mit ihm beförderte ein Franzose das Brot aus der Brotfabrik ins Krankenhaus.  


Beuel war von allen Zufahrten abgeschnitten und die Menschen lebten ohne Hoffnung dem Morgen entgegen. Um den quälenden Hunger zu stillen, reichten die winzigen Rationen nicht aus. Die 160 Sack Wehrmachtsmehl, die in der Brotfabrik zurückgeblieben waren und die Dauerwurstvorräte, die durch die Gauleitung der NSDAP-Westfalen im Nährmittelwerk Kessler & Comp.  eingelagert waren, waren bald aufgezehrt. Jeder Winkel im Garten oder Vorgarten wurde urbar gemacht und bepflanzt, Selbstversorgung stand an erster Stelle. Die Schornsteine begann langsam wieder zu rauchen. Aus den Trümmern wurde das Brennholz herausgesucht oder auf Ennert und Finkenberg geschlagen.<ref name=":5">Aus "Unsere Stadt Beuel Zerstörung und Aufbau 1945 - 1955" Seite 186 -187</ref>   
Beuel war von allen Zufahrten abgeschnitten und die Menschen lebten ohne Hoffnung dem Morgen entgegen. Um den quälenden Hunger zu stillen, reichten die winzigen Rationen nicht aus. Die 160 Sack Wehrmachtsmehl, die in der Brotfabrik zurückgeblieben waren und die Dauerwurstvorräte, die durch die Gauleitung der NSDAP-Westfalen im Nährmittelwerk Kessler & Comp.  eingelagert waren, waren bald aufgezehrt. Jeder Winkel im Garten oder Vorgarten wurde urbar gemacht und bepflanzt, Selbstversorgung stand an erster Stelle. Die Schornsteine begann langsam wieder zu rauchen. Aus den Trümmern wurde das Brennholz herausgesucht oder auf Ennert und Finkenberg geschlagen.<ref name=":5">Stadtverwaltung Beuel. ''Unsere Stadt Beuel : Zerstörung Und Wiederaufbau 1945-1955''. Beuel: W. Knauth; 1956. Seite 186 -187</ref>   


=== In den Trümmern ===
=== In den Trümmern ===
Es hat lange gedauert, bis in den Trümmern der früheren Industriebetriebe wieder neues Leben einzog. Eine Handvoll Männer, die Unternehmer selbst mit ihren verbliebenen Mitarbeitern, begannen Steine und Schutt wegzuräumen. Es war eine fast sinnlose Arbeit, denn es fehlte überall am Notwendigsten. Der Verkehr war vollkommen lahmgelegt. Erst im Juni 45 fuhr erstmals wieder ein Zug zwischen Menden und Honnef. Die Besatzer hatten bestimmte Ausgehzeiten festgelegt. Und nur zu diesen durfte die Bevölkerung ihre Wohnung verlassen. Die Bauern in den Landorten mussten sich mit den Banden von Räubern und Marodierenden, die aus den freigelassenen Fremdlagern entstanden, erwehren. Das Kessko-Werk gab alles, was es noch an Nährmitteln, Fetten und Halbfabrikaten in Besitz hatte. Die von der Militärregierung eingesetzte Verwaltung war bemüht, Kartoffeln und Brennmaterialien heranzuschaffen. Die Reichsmark war nichts mehr wert. Wer Kleidungstücke, Hausgeräte, Wäsche, Geschirr, Schuhe oder Schmuck vor Bomben, Dieben und Plünderern retten konnte, brachte es aufs Land und tauschte gegen Butter und Speck. Die Währung des Schwarzen Marktes waren amerikanische Zigaretten. Eine "Camel" kostete fünf Reichsmark. Wer nicht kompensieren konnte, litt Hunger.<ref name=":6">Aus "Unsere Stadt Beuel Zerstörung und Aufbau 1945 - 1955" Seite 188</ref>  
Es hat lange gedauert, bis in den Trümmern der früheren Industriebetriebe wieder neues Leben einzog. Eine Handvoll Männer, die Unternehmer selbst mit ihren verbliebenen Mitarbeitern, begannen Steine und Schutt wegzuräumen. Es war eine fast sinnlose Arbeit, denn es fehlte überall am Notwendigsten. Der Verkehr war vollkommen lahmgelegt. Erst im Juni 45 fuhr erstmals wieder ein Zug zwischen Menden und Honnef. Die Besatzer hatten bestimmte Ausgehzeiten festgelegt. Und nur zu diesen durfte die Bevölkerung ihre Wohnung verlassen. Die Bauern in den Landorten mussten sich mit den Banden von Räubern und Marodierenden, die aus den freigelassenen Fremdlagern entstanden, erwehren. Das Kessko-Werk gab alles, was es noch an Nährmitteln, Fetten und Halbfabrikaten in Besitz hatte. Die von der Militärregierung eingesetzte Verwaltung war bemüht, Kartoffeln und Brennmaterialien heranzuschaffen. Die Reichsmark war nichts mehr wert. Wer Kleidungstücke, Hausgeräte, Wäsche, Geschirr, Schuhe oder Schmuck vor Bomben, Dieben und Plünderern retten konnte, brachte es aufs Land und tauschte gegen Butter und Speck. Die Währung des Schwarzen Marktes waren amerikanische Zigaretten. Eine "Camel" kostete fünf Reichsmark. Wer nicht kompensieren konnte, litt Hunger.<ref name=":6">Stadtverwaltung Beuel. ''Unsere Stadt Beuel : Zerstörung Und Wiederaufbau 1945-1955''. Beuel: W. Knauth; 1956. Seite 188</ref>  


Die Männer, die sich in den Ruinen der Industriebetriebe wieder einfanden, besaßen nur ihre Arbeitskraft, aber sie werken zäh und verbissen.<ref name=":6" />   
Die Männer, die sich in den Ruinen der Industriebetriebe wieder einfanden, besaßen nur ihre Arbeitskraft, aber sie werken zäh und verbissen.<ref name=":6" />   


Der Wiederaufbau im Bonner Portland-Zementwerk begann kaum sechs Wochen nach dem Einzug der Amerikaner. Es sollte aber noch über ein Jahr dauern, bis die Produktion wieder anlaufen konnte. Im Guilleaume-Werk war eine kleine Gruppe gleich nach Beendigung des Krieges an die Trümmerbeseitigung und die notdürftigen Instandsetzung der Produktionsanlagen angegangen. Auch bei der Dr. L. C. Marquart A. G. fand sich in den Wochen nach dem Zusammenbruch die Stammarbeiterschaft wieder ein. Trotz der schweren Kriegsschäden erreichten sie in kurzer Zeit die Herstellung von Pflanzenschutzmitteln. Besonders ein Kalkarsenpräparat wurde dringend zur Bekämpfung der Kartoffelkäfer benötigt.<ref>Aus "Unsere Stadt Beuel Zerstörung und Aufbau 1945 - 1955" Seite 188 -189</ref>   
Der Wiederaufbau im Bonner Portland-Zementwerk begann kaum sechs Wochen nach dem Einzug der Amerikaner. Es sollte aber noch über ein Jahr dauern, bis die Produktion wieder anlaufen konnte. Im Guilleaume-Werk war eine kleine Gruppe gleich nach Beendigung des Krieges an die Trümmerbeseitigung und die notdürftigen Instandsetzung der Produktionsanlagen angegangen. Auch bei der Dr. L. C. Marquart A. G. fand sich in den Wochen nach dem Zusammenbruch die Stammarbeiterschaft wieder ein. Trotz der schweren Kriegsschäden erreichten sie in kurzer Zeit die Herstellung von Pflanzenschutzmitteln. Besonders ein Kalkarsenpräparat wurde dringend zur Bekämpfung der Kartoffelkäfer benötigt.<ref>Stadtverwaltung Beuel. ''Unsere Stadt Beuel : Zerstörung Und Wiederaufbau 1945-1955''. Beuel: W. Knauth; 1956. Seite 188 -189</ref>   


Als die Rheinische Tapetenfabrik in dem alten von Artillerietreffern durchlöcherten Pförtnerhaus wieder anfing, sah sich vor schier unüberwindliche Schwierigkeiten gestellt. In festen Kammern unter der Kellerdecke waren vorsorglich einzelne Teile der großen Maschinen eingelagert worden. Bomben und Artilleriebeschuss hatten sie wohl verschont, aber nach der Zerstörung der Dächer boten sie keinen Schutz gegen das in das Fabrikgebäude eindringende Regenwasser. Der Rost ließ sich zwar leicht entfernen, dabei gingen aber auch die Markierungen verloren, mit denen bei der Demontage der Maschinen die einzelnen Teile gekennzeichnet worden waren. Die Teile, die zusammengehörten, mussten unter einem Berg von Rädern, Hebeln, Bolzen , Lagern, Schrauben und Walzen mühselig herausgesucht werden. Der Luftangriff vom 4. Februar 1945 hatte die Betriebsgebäude und Anlagen fast vollständig zerstört und alle Maschinen wurden fast restlos vernichtet. Auch hier bahnte sich die noch vorhandene Belegschaft des Werks unentwegt den Weg zum Neuaufbau.<ref>Aus "Unsere Stadt Beuel Zerstörung und Aufbau 1945 - 1955" Seite 189</ref>   
Als die Rheinische Tapetenfabrik in dem alten von Artillerietreffern durchlöcherten Pförtnerhaus wieder anfing, sah sich vor schier unüberwindliche Schwierigkeiten gestellt. In festen Kammern unter der Kellerdecke waren vorsorglich einzelne Teile der großen Maschinen eingelagert worden. Bomben und Artilleriebeschuss hatten sie wohl verschont, aber nach der Zerstörung der Dächer boten sie keinen Schutz gegen das in das Fabrikgebäude eindringende Regenwasser. Der Rost ließ sich zwar leicht entfernen, dabei gingen aber auch die Markierungen verloren, mit denen bei der Demontage der Maschinen die einzelnen Teile gekennzeichnet worden waren. Die Teile, die zusammengehörten, mussten unter einem Berg von Rädern, Hebeln, Bolzen , Lagern, Schrauben und Walzen mühselig herausgesucht werden. Der Luftangriff vom 4. Februar 1945 hatte die Betriebsgebäude und Anlagen fast vollständig zerstört und alle Maschinen wurden fast restlos vernichtet. Auch hier bahnte sich die noch vorhandene Belegschaft des Werks unentwegt den Weg zum Neuaufbau.<ref>Stadtverwaltung Beuel. ''Unsere Stadt Beuel : Zerstörung Und Wiederaufbau 1945-1955''. Beuel: W. Knauth; 1956. Seite 189</ref>   


Was in den Wochen und Monaten nach Kriegsende die Beueler Betriebe leisteten, können nur die, die damals das schwere und opferreiche Ringen selbst miterlebt haben, ganz ermessen. Mühe und Sorge der zeit nach Kriegsende sind fast vergessen. Vor der Leistung zehn Jahre nach der Katastrophe stand ein hohes Maß an harter Arbeit, sowie ein zähes Ringen um neue Formen, Produktionsmethoden und  Absatzmärkte.<ref>Aus "Unsere Stadt Beuel Zerstörung und Aufbau 1945 - 1955" Seite 190</ref>
Was in den Wochen und Monaten nach Kriegsende die Beueler Betriebe leisteten, können nur die, die damals das schwere und opferreiche Ringen selbst miterlebt haben, ganz ermessen. Mühe und Sorge der zeit nach Kriegsende sind fast vergessen. Vor der Leistung zehn Jahre nach der Katastrophe stand ein hohes Maß an harter Arbeit, sowie ein zähes Ringen um neue Formen, Produktionsmethoden und  Absatzmärkte.<ref>Stadtverwaltung Beuel. ''Unsere Stadt Beuel : Zerstörung Und Wiederaufbau 1945-1955''. Beuel: W. Knauth; 1956. Seite 190</ref>


== In Beuel beheimate Industriebetriebe ==
== In Beuel beheimate Industriebetriebe ==
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== Literatur ==
== Literatur ==
Unsere Stadt Beuel - Zerstörung und Aufbau 1945 - 1955, ''herausgegeben von der Stadtverwaltung Beuel 1956''
Stadtverwaltung Beuel. ''Unsere Stadt Beuel : Zerstörung Und Wiederaufbau 1945-1955''. Beuel: W. Knauth; 1956.


Hil­len, Bar­ba­ra, Dr. Reinold Ha­gen. Vi­sio­när und Ge­stal­ter, in: Sieg­bur­ger Blät­ter 42 (2013).
Hil­len, Bar­ba­ra, Dr. Reinold Ha­gen. Vi­sio­när und Ge­stal­ter, in: Sieg­bur­ger Blät­ter 42 (2013).
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