Beueler Industriegeschichte: Unterschied zwischen den Versionen

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Was in den Wochen und Monaten nach Kriegsende die Beueler Betriebe leisteten, können nur die, die damals das schwere und opferreiche Ringen selbst miterlebt haben, ganz ermessen. Mühe und Sorge der zeit nach Kriegsende sind fast vergessen. Vor der Leistung zehn Jahre nach der Katastrophe stand ein hohes Maß an harter Arbeit, sowie ein zähes Ringen um neue Formen, Produktionsmethoden und  Absatzmärkte.<ref>Stadtverwaltung Beuel. ''Unsere Stadt Beuel: Zerstörung und Wiederaufbau 1945 - 1955''. Beuel: W. Knauth; 1956. Seite 190</ref>
Was in den Wochen und Monaten nach Kriegsende die Beueler Betriebe leisteten, können nur die, die damals das schwere und opferreiche Ringen selbst miterlebt haben, ganz ermessen. Mühe und Sorge der zeit nach Kriegsende sind fast vergessen. Vor der Leistung zehn Jahre nach der Katastrophe stand ein hohes Maß an harter Arbeit, sowie ein zähes Ringen um neue Formen, Produktionsmethoden und  Absatzmärkte.<ref>Stadtverwaltung Beuel. ''Unsere Stadt Beuel: Zerstörung und Wiederaufbau 1945 - 1955''. Beuel: W. Knauth; 1956. Seite 190</ref>


== Entwicklung des Beueler Industriestandortes nach 1955 bis 1969 ==
==Entwicklung des Beueler Industriestandortes nach 1955 bis 1969==
Nach 1963 setzt ein Rückgang, insbesondere von kleineren Betrieben, ein.  
Nach 1963 setzt ein Rückgang, insbesondere von kleineren Betrieben, ein.  


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Es bestanden im gleichen Jahr noch jeweils 2 Betriebe der Nahrungsmittelindustrie, der Druck- und Papierverarbeitung und für Schleifmittel, außerdem ein keramischer Betrieb.<ref name=":17">Studien zur Heimatgeschichte des Stadtbezirkes Bonn-Beuel, Heft 17. Die wirtschaftliche Entwicklung Beuels - Von der Landgemeinde zum Stadtbezirk (1809 - 1969). Bonn: Sabine Krietsch; 1973; Seite 36</ref><ref>Verwaltungsbericht der Stadt Beuel 1952-61, S. 55</ref>
Es bestanden im gleichen Jahr noch jeweils 2 Betriebe der Nahrungsmittelindustrie, der Druck- und Papierverarbeitung und für Schleifmittel, außerdem ein keramischer Betrieb.<ref name=":17">Studien zur Heimatgeschichte des Stadtbezirkes Bonn-Beuel, Heft 17. Die wirtschaftliche Entwicklung Beuels - Von der Landgemeinde zum Stadtbezirk (1809 - 1969). Bonn: Sabine Krietsch; 1973; Seite 36</ref><ref>Verwaltungsbericht der Stadt Beuel 1952-61, S. 55</ref>


Nachdem beide Großbetriebe ― Rheinische Jutespinnerei und -weberei und GEKO-Tonmöbelfabrik ― aufgegeben wurden, besaß Beuel 1969 nur noch Klein- und Mittelbetriebe, weil kein Werk mehr als 500 Arbeitskräfte beschäftigte. Die meisten Firmen in Beuel waren 1966 vorwiegend östlich der Bundesbahn ansässig und besaßen einen eigenen Gleisanschluss. Für Industriegründungen wurden auch die Ortsteile Pützchen, Limperich und Ramersdorf als Standort bevorzugt. Sie sind verkehrsgünstig erreichbar, wiesen billiges Land für Industrieanlagen auf oder durch freiwerdende andere Bereiche, z. B. Aufgabe des Basaltabbaus in Limperich,  genügend Arbeitskräfte verfügbar waren. <ref name=":17" />
Nachdem beide Großbetriebe ― Rheinische Jutespinnerei und -weberei und GEKO-Tonmöbelfabrik ― aufgegeben wurden, besaß Beuel 1969 nur noch Klein- und Mittelbetriebe, weil kein Werk mehr als 500 Arbeitskräfte beschäftigte. Die meisten Firmen in Beuel waren 1966 vorwiegend östlich der Bundesbahn ansässig und besaßen einen eigenen Gleisanschluss. Für Industriegründungen wurden auch die Ortsteile Pützchen, Limperich und Ramersdorf als Standort bevorzugt. Sie sind verkehrsgünstig erreichbar, wiesen billiges Land für Industrieanlagen auf oder durch freiwerdende andere Bereiche, z. B. Aufgabe des Basaltabbaus in Limperich,  genügend Arbeitskräfte verfügbar waren.  Die Anzahl der Betriebe in Vilich-Rheindorf gin in jüngster zeit rapide zurück und der Ortsteil entwickelte sich immer mehr zu einem reinen Wohngebiet. Nach dem Rückgang des Bergbaues entstand in Nieder- und Oberholtorf keine Industrie.  Das Verwaltungsgebäude der Alaunhütte ist jetzt das Forsthaus Hardt. Spuren dieser Tätigkeit haben sich im Wald erhalten. Sie sind mittlerweile überwachsen, doch im Bodenrelief kann man die Gruben und Halden noch erkennen. <ref>Studien zur Heimatgeschichte des Stadtbezirkes Bonn-Beuel, Heft 17. Die wirtschaftliche Entwicklung Beuels - Von der Landgemeinde zum Stadtbezirk (1809 - 1969). Bonn: Sabine Krietsch; 1973; Seite 36-37</ref>


==In Beuel beheimate Industriebetriebe==
==In Beuel beheimatete Industriebetriebe==
In allen Werken der Beueler Industrie konnte man den Rhythmus der neuen Zeit spüren. Gläubig und froh schauten die Menschen wieder in die Zukunft. Freude am Schaffen, Gestalten und Vollenden wurde wieder zur Quelle der Lebenskraft. Wie oft in den letzten Jahren empfanden die Schaffenden diese Freude, wenn sie in neue Werkshallen und Büros einziehen konnten, oder neue maschinelle Anlagen in Betrieb nehmen durften. Im Rahmen eines kurzen Überblicks kann die Entwicklung der Beueler Industrie während des Jahrzehnts des Wiederaufbaus nur in großen Zügen beschrieben werden. Auf den technischen Fortschritt  in den einzelnen und sehr verschiedenartigen Produktionsstätten einzugehen fehlt der Raum. Gerade dieser technische Fortschritt ist bzw. war mitbestimmend, wenn nicht sogar ausschlaggebend, für den Erfolg gewesen. <ref>Stadtverwaltung Beuel. ''Unsere Stadt Beuel: Zerstörung und Wiederaufbau 1945 - 1955''. Beuel: W. Knauth; 1956. Seite 202</ref>
In allen Werken der Beueler Industrie konnte man den Rhythmus der neuen Zeit spüren. Gläubig und froh schauten die Menschen wieder in die Zukunft. Freude am Schaffen, Gestalten und Vollenden wurde wieder zur Quelle der Lebenskraft. Wie oft in den letzten Jahren empfanden die Schaffenden diese Freude, wenn sie in neue Werkshallen und Büros einziehen konnten, oder neue maschinelle Anlagen in Betrieb nehmen durften. Im Rahmen eines kurzen Überblicks kann die Entwicklung der Beueler Industrie während des Jahrzehnts des Wiederaufbaus nur in großen Zügen beschrieben werden. Auf den technischen Fortschritt  in den einzelnen und sehr verschiedenartigen Produktionsstätten einzugehen fehlt der Raum. Gerade dieser technische Fortschritt ist bzw. war mitbestimmend, wenn nicht sogar ausschlaggebend, für den Erfolg gewesen. <ref>Stadtverwaltung Beuel. ''Unsere Stadt Beuel: Zerstörung und Wiederaufbau 1945 - 1955''. Beuel: W. Knauth; 1956. Seite 202</ref>


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===Vereinigte Jutespinnereien und Webereien A. G.===
===Vereinigte Jutespinnereien und Webereien A. G.===
Sie ist das zweitälteste und belegschaftsstärkste Industrieunternehmen im Beueler Raum. Gegründet 1868 war es die erste Fabrik in Deutschland, die die Jute von der Rohfaser bis zum fertigen Gewebe verarbeitet. Seit Jahrzehnten bildet es den Mittelpunkt des Stadtteils Beuel-Ost.  Zeitweise beschäftigte es über 1000 Arbeiter und ANgestellte. Viele der Nachkommen jener Familien, die um die Jahrhundertwende in südosteuropäischen Ländern angeworben wurden, gehören heute (1955/56) noch zum Stamm der Betriebsgemeinschaft. 1955, ein Jahrzehnt nach der fast vollständigen Vernichtung, gehört das neu erstandene, mit modernsten technischen Anlagen ausgestattete, Werk zu den größten und leistungsfähigsten der Juteindustrie. Das Werk produziert auch Feingarne für die Teppichherstellung, Grobgarne für die Kabelindustrie und andere zahlreiche Verbraucherkreise. Mehrere Millionen Jutesäcke verlassen jährlich die Produktion. Die Kunstlederherstellung wurde als jüngstes Erzeugnis in das Produktionsprogramm aufgenommen. Dazu wurde eine besondere Abteilung mit neuzeitlichen Spezialmaschinen dem Werk angegliedert.<ref>Stadtverwaltung Beuel. ''Unsere Stadt Beuel: Zerstörung und Wiederaufbau 1945 - 1955''. Beuel: W. Knauth; 1956. Seite 193</ref>  
Sie ist das zweitälteste und belegschaftsstärkste Industrieunternehmen im Beueler Raum. Gegründet 1868 war es die erste Fabrik in Deutschland, die die Jute von der Rohfaser bis zum fertigen Gewebe verarbeitet. Seit Jahrzehnten bildet es den Mittelpunkt des Stadtteils Beuel-Ost.  Zeitweise beschäftigte es über 1000 Arbeiter und Angestellte. Viele der Nachkommen jener Familien, die um die Jahrhundertwende in südosteuropäischen Ländern angeworben wurden, gehören heute (1955/56) noch zum Stamm der Betriebsgemeinschaft. 1955, ein Jahrzehnt nach der fast vollständigen Vernichtung, gehört das neu erstandene, mit modernsten technischen Anlagen ausgestattete, Werk zu den größten und leistungsfähigsten der Juteindustrie. Das Werk produziert auch Feingarne für die Teppichherstellung, Grobgarne für die Kabelindustrie und andere zahlreiche Verbraucherkreise. Mehrere Millionen Jutesäcke verlassen jährlich die Produktion. Die Kunstlederherstellung wurde als jüngstes Erzeugnis in das Produktionsprogramm aufgenommen. Dazu wurde eine besondere Abteilung mit neuzeitlichen Spezialmaschinen dem Werk angegliedert.<ref>Stadtverwaltung Beuel. ''Unsere Stadt Beuel: Zerstörung und Wiederaufbau 1945 - 1955''. Beuel: W. Knauth; 1956. Seite 193</ref>  


1954 stellte der Betrieb auf Kunstleder und Bodenbeläge um. Im Jahr 1961 wurde das Gelände von der Dresdner Bank aufgekauft und bis 1965 als Bodenbelagfabrik betrieben. 1965 wurde die Firma dann von der Dynamit Nobel AG aus Troisdorf erworben und firmierte seitdem als Vereinigte Jutespinnereien und Webereien AG. Von 1965 bis 1980 produzierte die ehemalige Jutespinnerei PVC-Produkte für die Troisdorfer Dynamit.  
1954 stellte der Betrieb auf Kunstleder und Bodenbeläge um. Im Jahr 1961 wurde das Gelände von der Dresdner Bank aufgekauft und bis 1965 als Bodenbelagfabrik betrieben. 1965 wurde die Firma dann von der Dynamit Nobel AG aus Troisdorf erworben und firmierte seitdem als Vereinigte Jutespinnereien und Webereien AG. Von 1965 bis 1980 produzierte die ehemalige Jutespinnerei PVC-Produkte für die Troisdorfer Dynamit.  
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===Stahlbetonwerk Brenner & Co.===
===Stahlbetonwerk Brenner & Co.===
Seine Betriebsstätten kündeten von unternehmerischen Geist und Erfolg. Während des Krieges wurde in den Betriebsstätten die stabilste deutsche Luftschutzzelle entwickelt. In den vergangenen Jahren konnte die Fertigung von Stahlbetonkonstruktionen, Rohren, Platten und Eisenpfosten weiter ausgebaut werden. Von 1982 bis 1985 befand sich die Gesellschaft in Liquidation, die im März 1985 beendet und das Unternehmen aus dem Handelsregister gelöscht wurde.<ref name=":15" /><ref>https://www.northdata.de/Brenner+%26+Co.,+Bonn/HRA+1016; (Abgerufen: 11.07.2023) </ref><ref>Amtsgericht Bonn HRA 1016 – Brenner & Co. Kommanditgesellschaft; Eintragsdatum: 01.06.1935; Löschdatum: 20.03.1985; Anschrift (ohne Gewähr):    Brenner & Co. Bonn</ref>
Seine Betriebsstätten kündeten von unternehmerischen Geist und Erfolg. Während des Krieges wurde in den Betriebsstätten die stabilste deutsche Luftschutzzelle entwickelt. In den vergangenen Jahren konnte die Fertigung von Stahlbetonkonstruktionen, Rohren, Platten und Eisenpfosten weiter ausgebaut werden. Von 1982 bis 1985 befand sich die Gesellschaft in Liquidation, die im März 1985 beendet und das Unternehmen aus dem Handelsregister gelöscht wurde.<ref name=":15" /><ref>https://www.northdata.de/Brenner+%26+Co.,+Bonn/HRA+1016; (Abgerufen: 11.07.2023) </ref><ref>Amtsgericht Bonn HRA 1016 – Brenner & Co. Kommanditgesellschaft; Eintragsdatum: 01.06.1935; Löschdatum: 20.03.1985; Anschrift (ohne Gewähr):    Brenner & Co. Bonn</ref>
===Metallwarenfabrik Albert Schneider===
Die Firma wurde am 1. August 1948 eröffnet. Sie hat sich im Anfangsstadium  hauptsächlich mit der Herstellung von Stanz-, Press- und Ziehteilen und dem Werkzeug- und Vorrichtungsbau beschäftigt. Die Herstellung von Schraubenverschlüssen in den unterschiedlichsten Formen aus Weißblech wurde nach kurzer Zeit als Spezialität ins  Fertigungsprogramm aufgenommen. Die Weiterentwicklung ging rasant aufwärts, so dass nach fünf Jahren eine Vergrößerung und Ausweitung ins Auge gefasst werden musste.Durch die Unterstützung des Bauamtes der Stadt Beuel konnte im Industriegelände ein Neubau von Fertigungsräumen erstellt werden. Ende des Jahres 1954 konnte der Umzug in die eigenen Betriebsanlagen erfolgen. Man hielt an der Weiterentwicklung des Fertigungsprogramms der Blechverformung und -emballagen fest und war zudem auch noch beachtlich auf dem Gebiet des Werkzeugbaues tätig. Dadurch entwickelte sich die Firma zu einem nennenswerten Unternehmen mit einem Kundenstamm, der sich über das gesamte Bundesgebiet erstreckte. Im November 1980 wurde das Unternehmen aufgelöst und im Bonner Handelsregister gelöscht. <ref>Stadtverwaltung Beuel. <nowiki>''</nowiki>Unsere Stadt Beuel: Zerstörung und Wiederaufbau 1945 - 1955<nowiki>''</nowiki>. Beuel: W. Knauth; 1956. Seite 205</ref>
===Deutsche Vialit G.m.b.H.===
Ihre Erzeugnisse spielen im modernen Straßenbau eine wichtige Rolle.
Nach dem ersten Weltkrieg und den Inflationsjahren wurde es notwendig, die Straßen mit grobem Steinpflaster für das Automobil und damit für den schnelleren Verkehr mit neuer Oberfläche zu gestalten. Bei der Suche nach geeigneten Materialien für eine glatte widerstandsfähige Belagschicht stieß man auf ein „Abfallprodukt“, das sich Bitumen nennt. Bitumen fällt als Rückstand bei der Erdöldestillation in großen Mengen an. Weil die Verarbeitung des Bitumen damals sehr aufwendig war, kam man auf die Idee, es flüssig als Emulsion aufzubringen. So entstand 1925 als einer der ersten Bitumenemulsion-Hersteller die Deutsche Vialit Gesellschaft m.b.H., die am 11.11.1925 in Beuel am Rhein gegründet wurde. Bereits im Vorfeld wurden 1923 das Grundstück und die Gebäude von der "Chemischen Actiengesellschaft Beuel" erworben, die bis zum Kauf der Herstellung von Seife dienten. Auch heute noch stellen die Verwaltungsgebäude und die industriellen Anlagen in Beuel den Hauptstandort des Unternehmens in Deutschland dar - jedoch werden hochwertige Bitumenemulsionen hergestellt. Im Jahre 2025 möchte das Unternehmen sein 100-jähriges Bestehen feiern. Zu diesem Anlass freut man sich auf einen Neubau und eine Erweiterung der bestehenden Produktionsanlagen. Hier wird das Ziel aufgegriffen, die Umwelt und die Ressourcen zu schützen. Die Anlagen sollen über eine Photovoltaik-Anlage und eine Dachbegrünung verfügen. <ref>Vialit - Chronik einer Erfolgsgeschichte. URL: https://vialit.de/ueber-vialit/geschichte.html (Abgerufen: 24.07.2023)</ref>


==Literatur==
==Literatur==
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*[https://www.regis.de/de/ Willkommen bei REGIS, Ihrem Organisations- und Archivmittelhersteller - REGIS GmbH]
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*[https://www.jokon.de/home/ Jokon - Führender Spezialist für Rückleuchten. Geschäftskundenexklusive Lösungen.]
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*[https://www.vialit.de/ Deutsche Vialit GmbH]


===Quellennachweise===
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