Beueler Industriegeschichte
Basis zur Beueler Industriegeschichte ist das Buch "Unsere Stadt Beuel - Zerstörung und Wiederaufbau 1945 - 1955". Soweit dem Autor zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Wiki-Artikel zusätzliche oder neuere Informationen und Erkenntnisse über die beschriebenen Industrieunternehmen vorliegen, werden diese natürlich auch berücksichtigt.
Die Beueler Industrie im Jahrzehnt des Wiederaufbaues
März 1945: Von Oberkassel vorstoßend, erreichen die Truppen der 78. amerikanischen Infanteriedivision das Zentrum von Beuel. An diesem Tag ging in unserer Heimat der grauenhafte Krieg zu Ende. Gegen vier Uhr am Nachmittag erreichten die Amerikaner die Einfahrt der Germania-Brotfabrik in der Kreuzstraße. Mit der MP im Anschlag durchsuchten sie die Gebäude nach Waffen und deutschen Soldaten. Was sie fanden, waren einige Männer, Deutsche und Fremdarbeiter, die der Kriegseinsatz hierher verschlagen hatte.Unter den großen Backöfen brannte noch das Feuer. Eine Rauchfahne, die einzige und letzte weit und breit, stieg aus dem Schornstein hervor. Die hohen Schlote schauten, drüben hinter der Eisenbahn, stumm und reglos auf die zerstörten Häuser und Hallen herab. Der Krieg hatte von den einstigen Stätten der Arbeit fensterlose Ruinen und Berge von Trümmern zurückgelassen. Selbst die Straßen in der schwer zerstörten Stadt waren von Bomben zerfetzt und mit Geröll übersät. Um den amerikanischen Jeeps den Weg zu bahnen, wurden schwere Räumbagger eingesetzt. Ein einziges deutsches Fahrzeug rollte noch durch die Stadt. Es war ein Pferdewagen, der mit Kannen beladen war. Mit den Kannen wurde das Wasser aus Brunnen heran geschafft und versorgte so die in Bunkern, Kellern und Erdlöchern hausenden Menschen. Da gab es aber auch noch einen Handwagen. Mit ihm beförderte ein Franzose das Brot aus der Brotfabrik ins Krankenhaus.
Beuel war von allen Zufahrten abgeschnitten und die Menschen lebten ohne Hoffnung dem Morgen entgegen. Um den quälenden Hunger zu stillen, reichten die winzigen Rationen nicht aus. Die 160 Sack Wehrmachtsmehl, die in der Brotfabrik zurückgeblieben waren und die Dauerwurstvorräte, die durch die Gauleitung der NSDAP-Westfalen im Nährmittelwerk Kessler & Comp. eingelagert waren, waren bald aufgezehrt. Jeder Winkel im Garten oder Vorgarten wurde urbar gemacht und bepflanzt, Selbstversorgung stand an erster Stelle. Die Schornsteine begann langsam wieder zu rauchen. Aus den Trümmern wurde das Brennholz herausgesucht oder auf Ennert und Finkenberg geschlagen.
In den Trümmern
Es hat lange gedauert, bis in den Trümmern der früheren Industriebetriebe wieder neues Leben einzog. Eine Handvoll Männer, die Unternehmer selbst mit ihren verbliebenen Mitarbeitern, begannen Steine und Schutt wegzuräumen. Es war eine fast sinnlose Arbeit, denn es fehlte überall am Notwendigsten. Der Verkehr war vollkommen lahmgelegt. Erst im Juni 45 fuhr erstmals wieder ein Zug zwischen Menden und Honnef. Die Besatzer hatten bestimmte Ausgehzeiten festgelegt. Und nur zu diesen durfte die Bevölkerung ihre Wohnung verlassen. Die Bauern in den Landorten mussten sich mit den Banden von Räubern und Marodierenden, die aus den freigelassenen Fremdlagern entstanden, erwehren. Das Kessko-Werk gab alles, was es noch an Nährmitteln, Fetten und Halbfabrikaten in Besitz hatte.
Die von der Militärregierung eingesetzte Verwaltung war bemüht, Kartoffeln und Brennmaterialien heranzuschaffen. Die Reichsmark war nichts mehr wert. Wer Kleidungstücke, Hausgeräte, Wäsche, Geschirr, Schuhe oder Schmuck vor Bomben, Dieben und Plünderern retten konnte, brachte es aufs Land und tauschte gegen Butter und Speck. Die Währung des Schwarzen Marktes waren amerikanische Zigaretten. Eine "Camel" kostete fünf Reichsmark. Wer nicht kompensieren konnte, leidete Hunger.
Die Männer, die sich in den Ruinen der Industriebetriebe wieder einfanden, besaßen nur ihre Arbeitskraft, aber sie werken zäh und verbissen.
Der Wiederaufbau im Bonner Portland-Zementwerk begann kaum sechs Wochen nach dem Einzug der Amerikaner. Es sollte aber noch über ein Jahr dauern, bis die Produktion wieder anlaufen konnte. Im Guilleaume-Werk war eine kleine Gruppe gleich nach Beendigung des Krieges an die Trümmerbeseitigung und die notdürftigen Instandsetzung der Produktionsanlagen angegangen.
Stätten der Arbeit
Bonner Portland Zementwerk Aktiengesellschaft
Sie ist das älteste Werk der Beueler Industrie und liegt bei Oberkassel. Sie wird seit 1939 unter diesem Namen geführt. Schon 1806 hatte der Bergmeister Leopold Bleibtreu auf der Hardt bei Pützchen eine Alaunhütte errichtet. Daraus ging 1953 durch Zusammenschluss mit einer benachbarten Alaunhütte der "Bonner Bergwerks- und Hüttenverein" als Aktiengesellschaft hervor.
Portlandzement war bisher nur aus England zu beziehen. Dr. Hermann Bleibtreu, dem Sohn des wenige Jahre vor dem Zusammenschluss verstorbenen Bergmeisters, war es nach jahrelangen Versuchen gelungen diesen mit einheimischen Rohstoffen herzustellen. Er errichtete 1855 im Auftrag einer Aktiengesellschaft bei Stettin die erste deutsche Zementfabrik. Dr. Hermann Bleibtreu kehrte ein Jahr später wieder an den Rhein zurück.
Der Verwaltungsrat des Bonner Bergwerks- und Hüttenverein hatte am 12.Juni 1856 beschlossen, die Geschäftszwecke des Vereins zu erweitern. Dr. Hermann Bleibtreu wurde als Generaldirektor der Gesellschaft mit dem Aufbau der Zementfabrik unmittelbar am Rhein bei Oberkassel beauftragt. Ausschlaggebend für die Wahl des Standortes Oberkassel war die Lage am Rhein mit seinen guten Transportmöglichkeiten, denn ihren Rohstoff erhielt die Zementfabrik aus Budenheim bei Mainz. Der Zement wurde in sechs Schachtöfen gebrannt.[1]
Hermann Bleibtreu gab 1871 die Geschäftsleitung des Zementwerks ab. Er widmete sich bis zu seinem Tod 1881 dem linksrheinischen Braunkohlebergbau, dem er mit seinem Engagement für die Brikettfabrikation wichtige Impulse gab.[2]
Seitdem sind mehr als hundert Jahre vergangen. Bergbau und Alaunfabrikation fielen dem Fortschritt zum Opfer. Geblieben ist 1956 allein das Zementwerk, das mit seinen Bauten und Betriebsanlagen ein Bild wirtschaftlicher Kraft im Beueler Raum bot. Innere und äußere Krisen seiner langen Geschichte konnte es dank seiner günstigen Absatzlage überwinden. Auch den letzten Weltkrieg hat das Werk ohne größere Schäden an Maschinen und Gebäuden überstanden. Nach 1945 gegen Besatzungsmacht, Inflation und Mangel auf allen Gebieten zu kämpfen und die durch den Krieg angerichteten Schäden zu beseitigen, war viel schwerer. Im Juli 1946 gelang es schließlich, in eingeschränktem Maße die Produktion wieder aufzunehmen. Betriebsmittel und Reparaturmaterial war gegen Geld nicht zu beschaffen. Nachdem die Währungsreform 1948 die Geldverhältnisse stabilisierte und die Fesseln der Zwangswirtschaft fielen, konnte das Werk in planvoller Arbeit aus seinen erforderlichen Leistungsstand gebracht werden. Neben dem umfangreichen Reparaturprogramm wurden Neuanlagen zur harmonischen Abstimmung der einzelnen Erzeugnisstufen geschaffen.
Dyckerhoff hatte bereits 1927/28 Aktien der Bonner Zementfabrik erworben. Mit einer Sperrminorität von 25 % kam es 1985 zur vollständigen Übernahme. Die Bonner Zementfabrik war nun nur noch ein Zweigwerk von Dyckerhoff und stellte bereits 1986 die Produktion ein. Der Betrieb wurde ein Jahr später vollends geschlossen.[2]
Vereinigte Jutespinnereien und Webereien A. G.
Chemische Fabrik Dr. L C. Marquart A. G.
Rheinische Schmirgelwerke
Guilleaume-Werk
August Wilhelm Andernach AG
Rheinische Tapetenfabrik Schleu & Hoffmann G.m.b.H.
Nährmittelwerk Kessler & Comp. (KESSCO)
Geko-Tonmöbelwerk
Das Werk ist sehr jung auf Beueler Boden, aber schon fest verwurzelt und setzt die Tradition seines Inhaber und Leiter Gerhard Kopprasch in Pirna an der Elbe gegründete Unternehmen fort. Am 13. Dezember 1948 musste der Fabrikant seinen Besitz in Pirna verlassen und zog mit seiner Familie nach Beuel. Hier begann er aufs neue einen eigenen Betrieb aufzubauen. Im Januar 1950 hat er seine Werkstätten im ehemaligen Entgiftungsbunker in der Südstraße eingerichtet.
Sie wurde die Keimzelle des Geko-Werkes, das sich in der kurzen Zeit von fünf Jahren zu einem der größten Industrieunternehmen der Stadt Beuel und zur bedeutendsten Tonmöbel-Spezialfabrik entwickelte. Schon vier Jahre nach seiner Gründung beschäftigte das Geko-Werk über 500 Mitarbeiter. Geko-Tonmöbel wurden, bundesweit, in Westeuropa und Amerika, zu einem Begriff für die Qualitätsarbeit deutscher Serienfertigung.
1955/56 wurde das Unternehmen um eine neue, größere Produktionsstätte, das Geko-Werk II, an der Pützchen Chaussee erweitert.
Der Vater des Autors dieses Artikels war dort als Maschinenschreiner (und Betriebsanitäter) bis zum Niedergang des Unternehmens beschäftigt. Über den Niedergang hat der Autor nur die mündliche Information, dass das Werk scheinbar "warm" saniert wurde.
Rheindorfer Möbelfabrik
Alana-Textil G.m.b.H.
Manometerfabrik Max Preiss
Orgelbaumeister Theo Strunck
Orgelbau Gebr. Käs K. G.
Autogenwerkzeugfabrik Lambert Fell
Kratzenfabrik Joseph Plum in Pützchen
Metallwarenfabrik Rudolf Althoff
Ferdinand Hoffstätter
Blechwarenfabrik Schmid-Hausmann
Metall- und Blechwarenfabrik Albin Fleck
H. J. Trimborn Söhne
Karl Giebeler O. H. Maschinen- und Apparatebau
Eisengießerei und Maschinenfabrik Franz Rübenach
Otto Schuler Kom.Ges.
Schiffswerft Wilhelm Schmidt
Kautex-Werk, Reinhold Hagen
Das Werk, das mit der industriellen Auswertung von Kunststoffen wurde von Reinhold Hagen 1935 in Siegburg gegründet. Im Krieg wurde das Werk vollständig zerstört. Reinhold Hagen baute es am Standort Bechlinghoven, wo es bereits 1955/56 über die Stadtgrenzen hinausgewachsen ist, neu auf. Mit über 400 Arbeitsplätzen werden Kautex-Vitrum-Schrumpfschlauch und Isolierhüllen, Flaschen, Flacons, Ampullen aus Polyethylen und weitere Kunststoffgegenstände, z. B. der beliebte Kunststoffeimer für Haushalt und Industrie, hergestellt.
Die Mitarbeiterzahl von Kautex stieg von 47 (1947) bis auf 1.400 (1966), die Fertigung konnte mit der steigenden Nachfrage kaum Schritt halten. Kautex-Werke in Bonn-Holzlar und Bonn-Duisdorf für die Hohlkörperproduktion als auch den dazugehörigen Maschinenbau wurden nach und nach ausgebaut. Die Maschinen für die Hohlkörperproduktion wurden bei Kautex-Maschinenbau produziert, dieser Teil des Unternehmens allerdings 1976 an die Firma Krupp verkauft. 1963 besaß Hagens Unternehmen 120 Patente im In- und Ausland, wozu unter anderem der 1963 erstmals amtlich zugelassene Benzinkanister aus Kunststoff gehörte. Auch Batterietanks aus Kunststoff, die sich ab 1968 aufgrund ihrer Korrosionsbeständigkeit flächendeckend in deutschen Haushalten durchsetzten, gehen auf Reinhold Hagen zurück. 1973 wurde erstmals serienmäßig der VW Passat mit einem Kautex-Benzintank ausgestattet. Damit begann eine neue und für die Automobilindustrie wegweisende Entwicklung. Daneben wurden auch technische Hohlkörper für elektrische Haushaltsgeräte entwickelt und produziert. [3]
Reinold Hagen engagierte sich, neben seinen Tätigkeiten für sein Unternehmen, auch für gemeinnützige Zwecke. So gründete er im Dezember 1988 die Reinold Hagen Stiftung. Reinold Hagen starb, noch vor Verleihung der Stiftungsurkunde, überraschend am 23. August 1990. Doch sein Werk wurde vollendet und bis heute weitergeführt.[4]
Vaseline-Fabrik Rhenania E. Wasserfuhr Kom.Ges.
Mit der Zeit Schritt gehalten hat auch die Vaseline-Fabrik, die sich seit 1885 mit der Raffinerie von Mineralölen beschäftigt. Sie war insbesondere mit der Herstellung von pharmazeutischen Vaselinen und Salbenpräparaten befasst. Nach dem Krieg dehnte man die Fertigung auf ein Mittel für die neuzeitliche Fußbodenpflege aus.
Chemische Fabrik Novaktin-Gesellschaft m.b.H.
Literatur
Unsere Stadt Beuel - Zerstörung und Aufbau 1945 - 1955, herausgegeben von der Stadtverwaltung Beuel 1956
Hillen, Barbara, Dr. Reinold Hagen. Visionär und Gestalter, in: Siegburger Blätter 42 (2013).
Weblinks und Quellennachweise
Weblinks
https://www.heimatverein-oberkassel.de/themen/150-jahre-bonner-portland-zementwerk-oberkassel/
Walter Buschmann Bonner Zementfabrik - Rheinische Industriekultur
Industriegeschichte im Bonner Bogen - Symbol des Wandels
Ein Pionier und Wegbereiter: Reinold Hagen, der Gründer der Kautex-Werke
Quellennachweise
- ↑ Willi Hey - 150 Jahre Bonner Portland-Zementwerk Oberkassel
- ↑ 2,0 2,1 Walter Buschmann Bonner Zementfabrik - Rheinische Industriekultur
- ↑ Hillen, Barbara, Reinold Hagen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/reinold-hagen-/DE-2086/lido/57c825a5f34799.60202662 (abgerufen am 22.05.2023)
- ↑ Interview von Jenny Gewehr, in: Ein Pionier und Wegbereiter: Reinold Hagen, der Gründer der Kautex-Werke (Teil 3), abgerufen unter: http://www.holzlar.de/portraits.htm (abgerufen am 22.05.2023)